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Die Flucht

Wann genau Tennstedt die DDR verlassen konnte, läßt sich ungefähr eingrenzen. Es dürfte im August 1971 gewesen sein. Er selber sagt:

Klaus Tennstedt: Ich hasste das System – man kann es so brutal sagen – und sie hassten mich. Ich habe mich gewehrt gegen die damaligen DDR-Komponisten, sie aufzuführen. Und das sollten wir, dazu sollten wir gezwungen werden, eine Blabla-Musik. Ich meine, es gab einige, Siegfried Matthus zum Beispiel, ein Hochbegabter. Der [Friedrich] Goldmann, ein Hochbegabter. Aber die anderen, damit konnte ich nichts anfangen. Und das verlangten die von uns. Da haben sie mich natürlich fertiggemacht. Da blieb nur noch die Flucht. Die Flucht, sie war nicht ungefährlich, aber sie ist gelungen.

Tennstedt besitzt noch ein Visum für die Einreise nach Schweden, das noch ein paar Tage gültig ist. Er nimmt die Fähre von Saßnitz auf Rügen nach Göteborg und ist damit im „Westen“. Nachdem die Flucht bekannt wird, ist Tennstedt für die Schweriner Zeitungen und manche der früheren Mitarbeiter nicht mehr existent.

Gebhard Kern: Das wurde im Ensemble immer sehr bedeckt und vorsichtig behandelt. Man mußte ja vorsichtig sein. Die meisten Musiker waren natürlich geschockt.

Viele Quellen sowie auch Tennstedt schildern die endgültige Flucht als zufällig oder versehentlich. Es gibt aber eine weitere Version von unerwarteter Seite, von Kurt Masur. Denn die entscheidende Frage lautet: Wissen die Behörden, dass Tennstedt noch ein solches Visum hat? Klaus Gysi (der Vater des heutigen Politikers Gregor Gysi) ist zu dieser Zeit Minister für Kultur. Sein Erster Staatssekretär und späterer Nachfolger ist Hans-Joachim Hoffmann (im Bild links). Was der mit Masur zu besprechen hat, lesen Sie im Buch.

 

  Treffen in einem Restaurant, Mitte der 1980er Jahre: Inge Tennstedt, Kurt Masur, Klaus Tennstedt, Tomoko Masur.

 

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