Und da sitzt er nun, schwer krebskrank, auf seinem Balkon in Heikendorf bei Kiel, Roesoll 13. Saugt den geliebten Blick ein über die Kieler Bucht bis weit hinaus auf die Ostsee, und er zeigt jedem Besucher die Galerie der vergangenen Erfolge und Auszeichnungen. Wird sein Name bleiben?
Ein paar Tage vor Weihnachten 1997, gut drei Wochen vor seinem Tod, besucht ihn sein alter Freund aus Radebeul und Schwerin, Dieter Härtwig:
Das war sein letztes Krankenlager, da war ich nochmal da. Die Wende [zur deutschen Einheit] war ja schon längst gewesen, richtig legal.
Sie verabreden eine Mahler Sechste Symphonie, sein Liebling, „the terrible symphony“, mit den Dresdner Philharmonikern. Sie plaudern, schwelgen in Erinnerungen, „weißt du noch?“ Die Schule der Frauen, „das war ein Knaller“, und erst recht der Mahagonny, „wo du zuerst an der Tür Programmhefte verkauftest und dann mit einem Satz über die Brüstung bist! Um wie ein Blitz den Einsatz zu geben, weißt du noch?“
Dieter Härtwig:
Er lag schon meistens im Bett, aber konnte sich noch rauskrabbeln. Und dann hat er mich in das große Zimmer geführt. An den Wänden hingen überall seine Urkunden. Das war eine Seite, die ich an ihm überhaupt nicht kannte. Wie ein Museumsführer hat er mich durch dieses Zimmer geführt und mir jede Kleinigkeit erzählt, diese ganzen Auszeichnungen, die Ehrendoktorate, du meine Güte. Und da dachte ich wieder an Masur: Das hast du nicht geschafft, so viel! Da war der Tenno wieder voran. Oder ein großes Bild mit dem englischen Thronfolger Prinz Charles, mit einem echten Behagen zeigte er mir das. Alles ringsum, ein Bild am andern, das hat mich umgehauen, weil ich dachte, das kann nicht wahr sein. Das kann doch nicht wahr sein.
Für mich sind diese zwei Blicke auf den späten Tennstedt, wie er da hilflos im Bett lag, dann sich aufkrabbelte, gerade noch einen Bademantel über, das ging schon sehr schlecht, und wie er mir das zeigte. Und den Blick auf die Ostsee [hält wie ungläubig die Hände vor den Mund].